Piercings im Mund
Ein Begriff, der sich in den 90er Jahren etabliert hat, obwohl er etwas beschreibt, dass schon tausende Jahre alt ist: Piercing. Der Name ist Programm, vom englischen to pierce abgeleitet, geht es um ein Durchstechen oder Durchbohren.
So werden beispielsweise die Nase, Ohren oder die Lippen mit – in der Regel – metallischen Elementen versehen, indem zuvor die örtliche Haut und das Fett- und Knorpelgewebe durchdrungen worden sind. Heutzutage gibt es eine unüberschaubare Vielfalt von Formen und Materialien, die zur Verschönerung des eigenen Körpers dienen sollen.
Dabei überwiegt zweifellos der schmückende Charakter von Piercings, dabei dienten sie alten Kulturvölkern noch als symbolische oder rituelle Gegenstände. Eine Funktion scheint sich daneben aber bis in die Moderne erhalten zu haben. Bekannt ist, dass Piercings auch als Zeichen dienten, um sich beispielsweise von anderen Stämmen abzugrenzen. Diese Idee des ‘Anders-Aussehen-Wollens’ findet sich auch bei vielen heutigen Trägern von Piercings, sie werden Ausdruck einer Gegenkultur.
Dass diese Art des Körperschmucks auch unter medizinischen Aspekten beleuchtet werden muss, ist naheliegend, schließlich geht es um den nachhaltigen Eingriff in den menschlichen Körper. Da vor dem Einsetzen des Piercings Gewebe durchstoßen werden muss, handelt es sich genaugenommen um eine Operation und damit per se um einen risikobehafteten Vorgang.
Für uns sind in dieser Hinsicht vor allem die Formen des Piercing von Interesse, die die Mundhöhle betreffen, also das Piercing der Zunge, der Lippen und die sogenannten Labret (insbesondere Lowbret) Piercings. Denn auch wenn Zähne und Zahnhalteapparat nicht unmittelbar involviert sind, können sie durch die Eingriffe beeinträchtigt werden.
Das Zungenpiercing ist in dieser Hinsicht noch mit einem vergleichsweise geringen Risiko behaftet. Meistens wir ein Stab, an dessen Ende je eine Kugel angebracht ist (Barbell), durch den in die Zunge gestochenen Kanal eingesetzt. Vom Piercing selbst ist also auf dem Zungenrücken (dorsum linguae) und Zungenunterseite jeweils nur diese Kugel zu sehen.
Oftmals kommen Edelstahl oder Titan zum Einsatz, sodass eine potentielle Gefahr natürlich im Aufeinandertreffen von Metall und Zahnschmelz besteht. Für gewöhnlich kann der Träger sich nicht ohne weiteres so auf die Zunge beißen, dass die Zähne direkt geschädigt werden. Problematisch ist vielmehr das Spielen mit dem Piercing, indem es etwa mit den Zähnen festgehalten wird. Binnen kurzer Zeit entstehen dann Abreibungen oder gar Zahnfehlstellungen.
Wesentlich größer ist dieses Risiko bei Lowbret Piercings, die zwischen Unterlippe und Kinn etwa auf Höhe der Zahnwurzeln liegen. Durch diese Anbringung ist ein Teil des Zahnfleisches konstant in Berührung mit dem Piercing, was früher oder später zu Reizungen der Schleimhaut führt. – Zahnfleischentzündungen sind die Folge. Zahlreiche Träger derartiger Piercings berichten von diesen Problemen. Beobachtet wurde außerdem, dass ein Labret Piercing – je nachdem auf welcher Höhe es zwischen Unterlippe und Kinn eingesetzt ist – die Schneidezähne des Unterkiefers auseinanderdrücken kann.
Neben diesen Risiken, die schlichtweg mechanischer Natur sind, kommt noch eine Reihe weiterer potentieller Gefahren hinzu, die jedes Piercing per se schon mit sich bringt. Zuallererst spielt die mitunter lange Dauer der Heilung eine Rolle. Während die Wunde bereits nach etwa vier bis sechs Wochen gut abgeheilt erscheint, dauert es tatsächlich nicht selten mehrere Monate, bis das durchstoßene Gewebe sich erholt hat. Während dieser Zeit ist die Gefahr einer Infektion natürlich gesteigert, da eine offene Wunde immer auch Einfallstor für Krankheitserreger sein kann. Bekannt sind auch Materialunverträglichkeiten, die in schweren Fällen zu allergischen Schocks führen können. Auch wenn diese Fälle sehr selten sind, sollte die Gefahr nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Wer sich für ein Piercing entscheidet, muss sich dieser Risiken bewusst sein, die ihm ein verantwortungsvoller Piercer in einem Beratungsgespräch auseinandersetzen wird. Ebenfalls wird er sie nach Krankheuten und Allergien fragen, um das Risiko sowohl für Sie als auch für andere Kunden schon im Vorfeld zu minimieren.
Davon abgesehen sind vor allen Dingen Sie selbst in der Pflicht. Achten Sie auf die hygienischen Bedingungen: Ist das Studio sauber? Sind die Instrumente steril verpackt? Benutzt der Stecher Handschuhe? Usw. usf. Hören Sie außerdem auf Ihr Bauchgefühl: Erfahrungsgemäß ist es fatal, einen ersten schlechten Eindruck zu ignorieren und zu versuchen, ihn zu rationalisieren. Wie bei allen im weitesten Sinne kosmetischen Eingriffen in den eigenen Körper muss bedacht werden, dass ein für sich unnötiges Risiko eingegangen wird.